Machbar, notwendig, gefordert

Mischkanalisation ohne Überlauf wird zum erreichbaren Ziel

Die zunehmende Digitalisierung der Kanalnetze und die Möglichkeiten diese dynamisch zu regulieren und zu optimieren, eröffnen neue und unerwartete Potenziale. Keine Lieferkette eines Industriebetriebs war bis anhin so schlecht überwacht wie die einer Kläranlage, dabei stehen die verlorenen Abwassermengen im Interesse der Gesellschaft. Neue Technologien bieten die Chance diese Situation verbessern zu können – STEBATEC bietet wirtschaftliche Lösungen die es ermöglichen, Überläufe zu verhindern und den Transport von belasteten Wässer zur ARA gleichzeitig zu erhöhen.

Es hat das Potenzial es mal zu hinterfragen, unser Kanalsystem welches stark konzentrierte Abwässer transportiert die bei Regen mit mehr oder weniger sauberem Regenwasser derart vermischt werden, dass sie regelmässig in grösseren Mengen überlaufen. Auch wenn mit einer dynamischen Kanalnetzregelung die Überläufe stark reduziert werden können, bleibt die Situation unbefriedigend.

Die Bevölkerung weiss oft nichts, reagiert aber entschlossen bis empört

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage auf den sozialen Medien (Facebook und LinkedIn) bestätigt eine Vermutung, die während dem Tag der offenen Tür Anfang September bei STEBATEC aufkam. Viele Leute wissen nicht, was mit dem Abwasser passiert – dass es aber teilweise ungereinigt den Gewässern zugeführt werden könnte, hätten die wenigsten auch nur vermutet. Hier die Resultate der Umfrage:
Wussten Sie, dass Abwasserkanalisationen oft direkt in Seen und Flüsse überlaufen? Bei Regen gelangen wesentlich grössere Wassermengen in die Kanalisation als Kläranlagen verarbeiten können. Rund 20 jährliche grössere und kleinere Überläufe werden beim Bau einkalkuliert – es handelt sich um unbehandeltes oder nur grob gefiltertes Abwasser, teils direkt neben Badis.

Die Antworten:

  • Was?! Ekelhaft und inakzeptabel in unserem reichen Land. 31%
  • Bin entschlossen etwas dagegen zu tun. 23%
  • Abwasserfachleute wie ich wissen, dass es nicht anders geht. 31%
  • Ist doch egal; hoffe auf grössere Fische am Haken. 15%

Die 31% Teilnehmer aus Fachbereichen für einmal ausgenommen, sind rund 33% der Teilnehmer entschlossen etwas dagegen zu unternehmen, oder dass etwas unternommen werden muss. 45% der Teilnehmer die nicht zu den Fachleuten gehören reagieren sogar empört. Dem entgegen stehen 22% der Stimmen denen das Problem gleichgültig ist oder vielleicht sogar einen Vorteil darin erkennen. An der Umfrage haben sich 125 Personen beteiligt.

Herstellen einer messdatenbasierten Faktenlage

STEBATEC bietet das Algorithmus-basierte und Modellunterstützte INKA-System an und veröffentlicht seit Jahren regelmässig Messdaten welche Aufschluss über die Funktionalität der in den jeweiligen Kanalnetzen installierten Systeme geben. So wurde nachgewiesen, dass auf der ARA Winznau mit aktiviertem INKA-Regler an Regentagen 1.76 Tonnen Schmutzstoffe CSB mehr gereinigt werden was rund +22% entspricht im Vergleich zum statischen Betrieb, wo diese Mengen über die Überläufe entlastet werden. Im Einzugsgebiet Ulrichsberg im Gebiet Mühltal in Österreich gelangen mit INKA am 1. Regentag durchschnittlich rund 67% mehr CSB zur ARA als im statischen Betrieb, was 552kg CSB entspricht die nicht in die Gewässer entlastet werden.

Zur Herstellung einer gewissen Vergleichbarkeit mit anderen Systemen wurden Bewertungsmöglichkeiten entwickelt, um die unterschiedlichen Systeme (statisch/dynamisch) miteinander vergleichen zu können. Bitte beachten Sie hierfür die Publikation in der Zeitschrift GWF Wasser Abwasser.

Mit dem optimierten und dynamischen Kanalnetzbetrieb werden die Entlastungsmengen stark reduziert. Unserem erklärten Ziel, die verbleibenden Entlastungsmengen auch noch vollständig zu verhindern, sind wir damit bereits näher gekommen.

Abbildung 1; Der INKA Netzkonfigurator mit Toolbar in der INKA-Benutzeroberfläche, womit keine projektspezifischen Programmierungen mehr nötig sind. Mit dem Netzkonfigurator kann INKA für jedes Kanalnetz so eingestellt werden, dass eine dynamische Regelung möglich ist – egal ob es sich um ein kleines Kanalnetz mit zwei Zulaufsträngen und nur einem Becken handelt, oder um ein Netz einer grösseren Stadt mit unzähligen Bauwerken und langen Fliesszeiten.  Zusätzlich stehen vereinfachte Möglichkeiten zur daten- und netzwerktechnischen Verbindung der Bauwerke zur Verfügung.

Schwammstadt als Chance für den Gewässerschutz

Zur Kühlung und zum Überflutungsschutz von Siedlungen gibt es spannende Entwicklungen in der Architektur. Die Errichtung zusätzlicher Speichervolumen mit Überläufen in die Abwasserkanalisation bieten auch hinsichtlich Gewässerschutz ein Potenzial. Die Ausrüstung der Retentionsvolumen mit einfachen Ventilen die zentral von INKA angesteuert werden, um die Wassermengen mit dem richtigen Timing in die Kanalisation zu leiten und um die Volumen für das nächste Ereignis freizugeben, würde verhindern, dass eben diese Wassermengen in der ohnehin überfüllten Kanalisation mit Abwasser vermischt in die Gewässer entlastet werden.

Dass Regenwasser von Strassen, Liegenschaften und Plätzen zur ARA geführt werden sollte zeigen Studien auf,  da diese eine erhebliche Verschmutzung aufweisen und daher Reinigungswürdig sind. Wiederum betrifft dies vielmehr das Regenwasser der ersten 60 Minuten bis ein First-Flush-Effekt vorüber ist als die darauffolgenden Abflüsse.

Das von INKA koordinierte Entleerungsszenario unterscheidet sich nach dem Regenereignis anschliessend in zwei Gruppen. Retentionsvolumen deren Inhalt zur Kühlung der Umgebung verwendet wird, werden kurz vor dem nächsten Regenereignis entleert – dies abhängig von der Wetterprognose. Speicher von Strassen und Platzentwässerungen werden, sobald Kapazität in Kanalnetz und ARA vorhanden ist, umgehend entleert.

Zero Kanalnetzemission mit INKA und Smart-Schwammstadt

Eine Beteiligung des Abwasserverbands an örtlichen Speichervolumen könnte das Problem auf privaten und industriellen Liegenschaften beseitigen, für die aufgrund der Verschmutzung weder eine Versickerung noch ein Anschluss an ein Trennsystem möglich ist. Ein Lösungsansatz wäre es Anreize zu schaffen, damit private Liegenschaftsbesitzer und Industriebetriebe welche Regenwasser in die Abwasserkanalisation einleiten, fernsteuerbare Wasserspeicher bauen. Hier eine kurze Ideensammlung:

1.     Baubewilligung erfordert Retentionsvolumen mit einem Ventil das vom Abwasserverband/INKA angesteuert werden kann (Abbildung 2). Ähnlich der Forderung für Regenwasserbehandlungsanlage bei Industriebetrieben in diversen Kantonen.

2.     Einmalige Entschädigung vom Abwasserverband/Stadt/Gemeinde für nachträgliche Errichtung von Retentionsvolumen pro bewirtschafteten m3 (Bsp. CHF 500.-). Zusätzliches Volumen zur privaten Nutzung wird dabei gleichzeitig gefördert/subventioniert.

3.     Erlass der Abwassergebühren für Wasserbezug aus Retentionstanks zur Toilettenspülung und Gartenbewässerung. Respektive Legalisierung und Förderung dieses Konzepts.

Abbildung 2; Regenwassertank privater oder industrieller Liegenschaften mit separatem und zentral gesteuertem ARA-Speicher, der jeweils vor dem nächsten Regenereignis automatisch entleert wird. Der erste Niederschlag wird in den ARA-Speicher geleitet, der nach Befüllung rein mechanisch über eine aufschwimmende Klappe verschlossen wird. Zusätzliche Wassermengen werden danach in den Brauchwassertank überlaufen oder über den Überlauf dem Gewässer zugeführt. Die Skizze ist funktionell zu verstehen – mit Fertigbautanks aus leichtem Material sind kostengünstige Lösungen möglich.

Während beispielsweise 50mm Regen eines gemässigten Unwetters auf einem Flachdach sehr einfach zurückgehalten werden können, braucht es bei einem schrägen Dach oder einem Platz mit einer Grundfläche von 200m2 eine Regentonne o.ä. mit einem Volumen zur Speicherung der belasteten Regenwassermengen (ARA) von 1m3 für ein mittleres Ereignis von 5mm, 6m3 für einen Starkregen und für ein gemässigtes Unwetter 10m3 – in Abhängigkeit der Annahmen wie lange nach einsetzendem Niederschlag das Regenwasser belastet abfliesst.

Dezentrale Regenwasserbehandlung mangels ARA Kapazität

Bereits gibt es einen Trend hin zur Errichtung von dezentralen Regenwasser-Behandlungsanlagen, die benötigt werden weil die Wassermengen aus Kapazitätsgründen nicht auf ARA`s verarbeitet werden können. Die Kapazität stünde jedoch etwas zeitversetzt nach dem Abklingen des Regenereignisses durchaus zur Verfügung. Die Behandlung auf der ARA ist grundlegend Vorteilhaft weil eine weitaus bessere Behandlung möglich ist und teilweise sogar Mikroverunreinigung aus dem Regenwasser entfernt werden kann. Letzteres ist selbstverständlich abhängig vom Grad des technologischen Ausbaus der ARA.

Einen Speicher für belastetes Regenwasser mit einem zentral gesteuerten Ventil zu errichten (Abbildung 2), das die Ableitung zur ARA sicherstellt wenn diese über die Kapazitäten verfügt, wäre sehr effektiv.

INKA-Entwässerungssystem für Strassen und öffentliche Plätze

Benötigtes Retentionsvolumen an öffentlichen Strassenentwässerungen und Plätzen zu schaffen scheint uns einfacher zu sein als diese auf privaten Grundstücken zu schaffen.

Nach Wikipedia hat ein mittlerer häufig vorkommender Regenschauer eine Intensität von 5mm/h, ein Niederschlag von 15mm während 1h eine Häufigkeit von ca. einmal jährlich, ein Starkregen von 30mm/h eine Häufigkeit von 20 Jahren und ein Unwetter mit 50mm/h eine Häufigkeit von >100 Jahren.

Sollten diese Strassenabwassermengen am Beispiel einer 10m breiten Strasse zwischengespeichert werden, bräuchte es als Lösungsoption entlang der Strasse eine Rohrleitung mit einem Durchmesser von NW250 zur Rückhaltung von 5mm Regen (5 Liter/m2 x10m Breite = 50 Liter pro 1m Strassenabschnitt), resp. ein NW450 zur Rückhaltung von 15mm Regen, ein NW600 Rohr zur Rückhaltung von 30mm Regen oder ein NW 800 Rohr zur Rückhaltung eines Starkregenereignisses von 50mm.

Vielerorts bestehen bereits Sammelleitungen unter den Strassen mit einer Dimensionierung die als Speicher genutzt werden können um Regenwasser verzögert in die Kanalisation zu leiten. Mit einer intelligenten Abflussregelung ist es möglich, das Speichervolumen exakt in diesem Zeitpunkt zu aktiviern, wenn die Kapazität im Kanalnetz knapp wird indem der Abfluss entsprechend gedrosselt wird. Eine Erhöhung der Weiterleitmenge würde dann erfolgen, wenn der Speicher gefüllt ist und die zufliessenden Wassermengen eine Erhöhung erfordern, oder wenn Kapazität im Kanalnetz und auf der ARA zur Verfügung steht. Für die Strassenentwässerung der Zukunft könnten sogar noch intelligentere Systeme gebaut werden, die den Planungs- und Bauaufwand unwesentlich erhöhen, indem gemäss Abbildung 3 die Sammelleitung der zufliessenden verschmutzten Wassermenge entsprechend dimensioniert und gefüllt wird und zusätzliche unbelastete Wassermengen direkt dem Gewässer zugeführt werden.

Abbildung 3; Beispiel einer INKA-gesteuerten Strassenentwässerung mit einer Speicherleitung zur Rückhaltung von belastetem Strassenabwasser. Die rein mechanisch funktionierenden aufschwimmenden Absperrventile verschliessen die Speicherleitung sobald diese gefüllt ist und verhindern das Abschwemmen durch Vermischung mit unbelastetem Regenwasser. Mit dem Ventil wird die Speicherleitung dann automatisch von INKA entleert, wenn im Kanalnetz und der ARA die Kapazität verfügbar ist, resp. bleibt das Ventil so lange geöffnet wie Kapazität zur Verfügung steht.

Die Dimensionierung von Speichervolumen belasteter Regenwässer erfolgt sinnvollerweise nach dem Grundsatz wie lange nach einsetzendem Regen das abfliessende Wasser verschmutzt sein wird, respektive nach welcher Regendauer/Menge kein Schadstoffeintrag mehr zu erwarten ist und nach wirtschaftlichen Kriterien. Pragmatisch betrachtet könnte die Dimensionierung auch auf die Regenwassermengen ausgerichtet werden die im bestehenden/statischen System bis zur ARA gelangt wären – als Verbesserung würde so lediglich angestrebt die zusätzlichen Mengen nicht mit Abwasser vermischt den Gewässern zuzuführen.

Ein Rechenbeispiel:

  • In einem Einzugsgebiet beträgt der Anteil der an die Kanalisation angeschlossenen öffentlichen Strassen und Plätze 75% der gesamten angeschlossenen Flächen. Diese werden konsequent gemäss dem Vorschlag Abbildungen 2+3 entwässert.
  • Das Einzugsgebiet verfügt über ein vorhandenes Regenbecken das 5mm Niederschlag der gesamten angeschlossenen Flächen aufnehmen kann.
  • Durch die vollständige Umsetzung der vorgeschlagenen Strassen- und Platzentwässerung, indem Wassermengen abgekoppelt oder dann dem Kanalnetz zugeführt werden, wenn dieses Kapazität aufweist, wird die Kapazität des Gesamtsystems soweit erhöht, dass frühestens bei 20mm/h Regen eine Entlastung stattfinden wird, da das frei werdende Volumen im Regenbecken zusätzlich für Regenmengen genutzt wird, auf dessen Zufluss kein Einfluss genommen werden kann.
  • Beträgt der Anteil Strassen und öffentliche Plätze 80%, findet ein Überlauf frühestens bei einem Niederschlag von 25mm/h statt.

Das Resultat des Rechenbeispiels zeigt lediglich den Nutzen der Bewirtschaftung der Strassen- und Platzwässer auf.  Die Situation wird zusätzlich begünstigt wenn das Gebiet nicht vollständig mit der gleichen Intensität beregnet wird, was grundsätzlich immer der Fall ist und bei stärkerem Niederschlag zunimmt. Die effektiven Vorteile aus der dynamischen Kanalnetzregelung sind abhängig vom Einzugsgebiet – das Potenzial liegt bei zusätzlichen 5 – 15mm Niederschlag vor dem ersten Überlauf.

Dimensionierung und Zielsetzung aufgrund der effektiven Entlastungsmengen

Effektiv besteht zwischen den erwarteten Entlastungsmengen und den Messwerten oft ein nicht vernachlässigbarer Unterschied. Ungleiche Beregnung und die optimierte Kanalnetzregelung begünstigen das Gesamtsystem. Ebenfalls die Abkopplung des unbelasteten Regenwassers über die Überläufe reduziert das zusätzlich benötigte Retentionsvolumen. Die Zielsetzung zur Errichtung zusätzlicher Retentionsbauwerken sollte daher auf Basis reeller Messdaten und nach der Dynamisierung und Optimierung des Kanalnetzes erfolgen.

Das Ziel, Kanalnetzüberläufe komplett verhindern zu können und zudem belastetes Regenwasser auf der ARA zu reinigen, ist unserer Meinung nach erreichbar. Statt dezentrale Behandlungsanlagen in Regenbecken und auf Liegenschaften zu bauen, werden Investitionen in digitale Systeme und in den Bau von Retentionsvolumen erfolgen. Ein längerer Realisierungszeitraum von 10 – 20 Jahren wird es ermöglichen Massnahmen mit weiteren Bauprojekten kombiniert und integriert realisieren zu können. Der volkswirtschaftliche Aufwand, resp. der Investitionsbedarf wird sich dadurch unwesentlich verändern, da er jedoch die Ursache angeht und nicht länger Symptome behandelt, findet er maximalen Nutzen und Effekt.

Zur vollständigen Eliminierung von Entlastungen bei gleichzeitiger Erhöhung der zur ARA transportierten belasteten Wässer ist eine Kombination der folgenden Massnahmen erforderlich.

  1. Optimierung und Dynamisierung des bestehenden Systems
  2. Datenaufzeichnung und Auswertung des effektiven Entlastungsverhaltens
  3. Bestimmen der zusätzlich benötigten Retentionsvolumen (Dimensionierung nur für belastete Mengen)
  4. Retentionsvolumen aktivieren oder ggf. erstellen und intelligent Bewirtschaften
  5. Abkopplung der unbelasteten Regenwassermengen, damit diese nicht erst mit Abwasser vermischt in die Gewässer gelangen (parallel zum gesamten Prozess)