Ein Gespräch mit Kilian Hesse, Geschäftsführer der STEBATEC über Innovation, Nachhaltigkeit und die technologischen Entwicklungen in der Kanalnetzregelung.

INKA – Digitale Impulse in der Kanalnetzbewirtschaftung

Herr Hesse, warum ist eine intelligente Kanalnetzbewirtschaftung heutzutage unerlässlich?

Kläranlagen (KA) sind für durchschnittliche Abwassermengen ausgelegt. Im Mischsystem (Abwasser und Regenwasser werden gemeinsam gefasst) kommt es bei Regenfällen zu Überläufen, da die Kapazitäten der Kläranlagen überschritten werden. Die Anforderungen der Kanalnetze ändern sich aufgrund des Klimawandels und der zunehmenden Zersiedelung, jedoch gab es bei Ungleichberegnung der Einzugsgebiete immer freie Kapazitäten. Mit gezielten Massnahmen können wir diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen und freie Potenziale nutzen, ohne dabei sogenannte «Generationenprojekte» mit entsprechendem Volkswirtschaftlichem Aufwand realisieren zu müssen. Unsere Messdaten zeigen auf, dass mit einer funktionierenden Kanalnetzdynamik am jeweils ersten Regentag rund 70% mehr CSB zur Kläranlage transportiert wird als an Trockenwettertagen, während bei statischen Netzen nur ca. 15 – 20% mehr CSB bis zur Kläranlage gelangt. Dabei erreichen mit der verlorenen Fracht natürlich auch Pestizide, Biozide und Fäkalbakterien direkt Flüsse und Seen. Trotz Investitionen in Rückhalte- und Regenbecken sind diese oft rudimentär gesteuert und bestehende Transport- und Speichervolumen werden nicht optimal genutzt. Aus diesem Grund hat STEBATEC die Kanalnetzbewirtschaftungssoftware INKA entwickelt, um eine betreiberfreundliche und effektive Optimierung zu gewährleisten.

Abb. 1: Veränderte Bedingungen stellen hohe Herausforderungen an die Kanalnetzbewirtschaftung und Siedlungsentwässerung, jedoch gibt es bei Ungleichberegnung der Einzugsgebiete immer freie Kapazitäten.

Können Sie uns einen Überblick über das System INKA und seine Funktionsweise geben?

INKA steht für Intelligente Kanalnetzregelung und ist ein System zur sicheren und effizienten Optimierung des Kanalnetzes. Der INKA-Regler verfolgt das Ziel die Weiterleitmengen dynamisch so zu verändern, dass bei einsetzendem Regen die Kläranlage schnellstmöglich hydraulisch ausgelastet wird ohne diese zu überlasten und ohne dabei unnötig Speichervolumen im Kanalnetz zu verbrauchen. Das zweite Regelungsziel ist dann, wenn das Regenereignis anhaltend ist, Speicher gleichmässig auszulasten respektive eine Ungleichbefüllung der Speicher und Becken im Kanalnetz zu verhindern. Vereinfacht gesagt regelt das System die Weiterleitmengen im Kanalnetz so ein, dass die Kläranlage dauerhaft ausgelastet ist und die Füllstände in den Speicher und Becken möglichst gleichmässig und niedrig sind. Dadurch werden Entlastungen effektiv verhindert, auch wenn es in der Realität natürlich etwas komplizierter ist; INKA wurde an Kanalnetzen entwickelt, die teilweise limitierte Transportkapazitäten aufweisen, stundenlange Fliesszeiten haben, in welchen auch eine Messung ausfällt oder die Datenkommunikationsverbindungen Unterbrüche haben. Mit diesen Herausforderungen haben wir gelernt umzugehen.

Abb. 2: INKA verarbeitet Wetterradar-Prognosedaten, um lange Fliesszeiten abzusichern und verfügt über ein Fallback-System für Situationen in welchen Datenverbindungen zu den Aussenbauwerken unterbrochen sind.

Welche Vorteile bietet INKA dem Kanalnetzbetreiber?

Wir vergleichen INKA gerne mit einem Fahrassistenzsystem – Menschen vertrauen diesem Roboter der als Unterstützer zur Verfügung steht und berechenbar ist. Vertrauen in ein System wächst, indem vorhersehbar ist, wie es in unterschiedlichen Situationen reagiert, sich nicht plötzlich selbständig macht oder einem die Abhängigkeit zu spüren gibt. Mit INKA können Betreiber ihr Kanalnetz optimiert «fahren» und trotzdem die vollständige Kontrolle behalten. Das System ist hochentwickelt und funktioniert bei allen Kunden gleich. Es basiert auf einem Regelalgorithmus der hundertfach getestet und bewährt ist – keine Raketentechnik, keine Magie, es ist einfach nur ein intelligentes, vollendetes und verständliches System das gut funktioniert und der Komplexität eines Kanalnetzes gerecht wird. Als Automationsfirma haben wir darauf geachtet, dass es sehr einfach in vorhandene Netzwerke integriert, resp. an jegliche Prozessleitsysteme angebunden und ergänzend genutzt werden kann.

Der grösste Vorteil für Betreiber besteht jedoch darin, dass sie ihr Kanalnetz selbständig optimieren können, ohne nach der Inbetriebnahme weitere Programmierarbeiten zu benötigen. Der in der Benutzeroberfläche enthaltene «Netzkonfigurator» ermöglicht dem Nutzer Zugriff auf sämtliche relevanten Parameter, wie Ober- und Untergrenzen der dynamischen Weiterleitmengen, Gewässersensibilität, Speichervolumen, Fliesszeiten etc.

Nebst der effizienten Nutzung der Kanalkapazitäten, was zu einer Reduzierung von Überläufen und einer verbesserten Gesamtleistung führt, ist das INKA-System im Wesentlichen ein praktisches Werkzeug für den Kanalnetzbetrieb, welches mit seinen Datenvisualisierungstools Klarheit und Verständnis schafft. Weiter gewährleistet die fortschrittliche Technologie von INKA einen zuverlässigen Betrieb, selbst unter sich ändernden Bedingungen.

Abb. 3: Mit INKA alles auf einen Blick und im Griff: Einfache Konfiguration mittels «Drag & Drop», verständliche Darstellung des Regenereignisses, umfassende Ganglinienanalyse und übersichtliche geografische Visualisierung des gesamten Kanalnetzes.

Wie trägt INKA dazu bei, den Gewässerschutz zu verbessern?

Durch die intelligente Regelung des Kanalnetzes und die dynamische Optimierung der Weiterleitmengen trägt das INKA-System massgeblich dazu bei, die Gewässer nachhaltig zu schützen, indem Kanalnetzüberläufe reduziert oder sogar verhindert werden. INKA schützt sensible Gewässer zusätzlich, indem eine höhere Entlastungs-Verhinderungspriorität konfiguriert wird und nutzt effektiv vorhandenes Speichervolumen und die vorhandene Reinigungskapazität von Kläranlagen.

Neben der INKA-Software bieten wir auch das INKA-Strassenentwässerungssystem an, weil in diesem Bereich grosses Optimierungspotenzial steckt. Zum einen ist Strassenabwasser oft derart belastet, dass es behandlungswürdig ist, auf der andern Seite führt es in der Mischkanalisation oft zu Überlastungen und vermischt mit Abwasser zu Entlastungen von wesentlich problematischeren Mischabwassermengen. Das INKA-Strassenentwässerungssystem speichert belastetes Strassenabwasser der ersten paar Niederschlagsmillimeter direkt unter der Strasse und lässt nachfliessendes und unproblematische Wassermengen direkt Vorort versickern, leitet es in Baumrigolen oder in Gewässer. Sobald Kanalnetz und Kläranlage nach dem Regenereignis wieder Kapazität haben, koordiniert das INKA-System die Entleerung der mit Oberflächenwasser gefüllten Speicher im Einzugsgebiet und gewährleistet damit einen sicheren Transport zur Kläranlage.

Wie unterstützt INKA bei der Bewältigung von Herausforderungen in der Kanalnetz-Planung?

In erster Linie, indem Kanalnetze optimiert betrieben werden und neue Projekte dadurch mit höherer Planungssicherheit auf einer verlässlichen Basis aufgesetzt werden können. Wenn beispielsweise ein neues Speicherbauwerk gebaut werden soll, ist in einem mit INKA ausgerüsteten Kanalnetz sichergestellt, dass die zu speichernden Wassermengen auch wirklich vorhanden sind, nicht einfach zur Kläranlage geleitet werden können oder meist in andern Speichern noch Platz fänden.  Ein positiver Nebeneffekt ist beispielsweise auch, dass sich der Betrieb regelmässig mit den Messdaten aus dem Kanalnetz beschäftigt und auf Messfehler aufmerksam wird und diese beseitigen kann.

INKA verfügt über eine umfängliches Datenauswertungstool, so werden beispielsweise angeschlossene abflussrelevante Flächen laufend mit Niederschlags- und Abflussdaten überrechnet, um Abflussprognosen optimieren zu können. Diese KI-gestützte Verifizierung der Planungsdaten hilft in der Planung sehr.

Wie positioniert sich STEBATEC als erfahrener und kompetenter Partner im Bereich der Kanalnetzregelung?

Die STEBATEC hat beinahe 60 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Implementierung von Automatisierungslösungen und Messtechnik für Wasser- und Abwassersysteme. Als Automatisierungspartner bieten wir selbst entwickelte Produkte wie Durchflussmessungen und Prozessleitsysteme an, unterstützen von der Planung bis zur Realisierung, führen Montagen und Service durch und begleiten unsere Kunden im Betrieb. Mit dem kompetenten Vertriebspartner in Deutschland, der Pannach Messtechnik GmbH, stellen wir sicher, dass die Produkte in unserem nördlichen Nachbarland ebenfalls zum Einsatz kommen und die Kunden von der gemeinsamen Erfahrung in der Abwasserwelt profitieren können.

Unsere Verbindung zu vielen Kanalnetz- und Kläranlagenbetreibern hat uns sehr geholfen unsere Produkte betreiberfreundlich und praxisnah zu machen. Unsere hochqualifizierten Experten sind am Geschehen nah dran und von der Tatsache überzeugt, dass INKA nicht nur eine effiziente Kanalnetzbewirtschaftung ermöglicht, sondern auch zentrales Werkzeug für einen nachhaltigen und bestmöglichen Kanalnetzbetrieb ist. Wir möchten Sie herzlich einladen, sich von den zahlreichen Vorteilen von INKA zu überzeugen und gemeinsam mit uns die Zukunft der Wasserwelt zu gestalten.